Viele Bäume machen keinen Wald

In Schweden drohen die letzten natürlichen Wälder durch Holzeinschlag und Rohstoffabbau verloren zu gehen – ein dramatischer Verlust nicht nur für die Artenvielfalt, sondern auch für die indigenen Sámi, die für die traditionelle Rentierzucht auf diese angewiesen sind. Greenpeace Schweden unterstützt die Sámi in ihrem Widerstand gegen die schwedische Holzindustrie – und fördert den Aufbau einer starken Bewegung von Waldschützer:innen.

Den Wald und die Rechte der Sámi schützen: Greenpeace-Aktivist:innen protestieren 2022 im schwedischen Muonio gegen Waldzerstörung und legen ein Banner in einem traditionellen Rentierpferch aus. Foto © Jason White/Greenpeace

Wer an Schweden denkt, stellt sich endlose Wälder vor, klare Seen, unberührte Natur. Die Realität sieht anders aus: Zwar ist Schweden zu zwei Dritteln von Wald bedeckt und ist damit eines der waldreichsten Länder der Erde. Unberührt ist daran jedoch fast nichts mehr. Über 60 Prozent der Wälder wurden seit den 1950er Jahren kahlgeschlagen. Heute handelt es sich bei den meisten Wäldern in Schweden um intensiv genutzte Monokulturen, die rasch Holz liefern sollen. Holz, das in Form von Papier, Verpackung oder Holzpellets auch nach Deutschland verkauft wird.

Bedrohte Wälder im hohen Norden

Die wenigen natürlichen alten Wälder, die von Holzeinschlag bisher verschont geblieben sind, befinden sich vor allem im Norden des Landes. Sie zählen zu den letzten Urwäldern Europas. Im kühlen Klima des hohen Nordens wachsen die Bäume sehr langsam, viele sind Hunderte von Jahren alt. Die Wälder sind Heimat für zehntausende Arten – doch auch diese sind akut bedroht. Mit den Wäldern schwindet die Vielfalt an Pflanzen und Tieren. Zwischen 2015 und 2020 hat die Zahl der bedrohten Arten im Land um 11 Prozent zugenommen.

Diese Entwicklung gefährdet auch die traditionelle Lebensweise der Sámi, dem einzigen indigenen Volk Europas. Die Rentierzucht ist ein wesentlicher Bestandteil der Identität der Sámi, und ihre Rentiere sind auf ursprüngliche, alte Wälder angewiesen. Dort finden sie Schutz, und nur dort kommen Baumflechten vor, von denen sich die Tiere in den langen Wintern ernähren, wenn sie unter dem tiefen Schnee keine Nahrung mehr finden. Wie die Bäume wachsen die Flechten extrem langsam. Mit der Zerstörung alter Wälder geht auch ihr Vorkommen drastisch zurück.

Proteste zeigen Wirkung

Seit 2021 unterstützt Greenpeace Schweden Sámi-Rentierkooperativen in ihrem Widerstand gegen die zerstörerischen Praktiken der Forstindustrie. Denn oft ignorieren der staatseigene schwedische Forstkonzern Sveaskog sowie andere Konzerne die Rechte der Sámi und dringen immer weiter in ihre traditionellen Nutzungsgebiete vor, ohne sie an Entscheidungen zu beteiligen. Den Sámi fehlt es hingegen oft an Wissen und Strategien, wie sie ihre Rechte durchsetzen können.

Wie erfolgreich es sein kann, sie in diesem Prozess zu unterstützen, zeigt das Beispiel der Sámi-Gemeinde Muonio: Nach anhaltenden Greenpeace-Protesten, die eine immer größere Öffentlichkeit erreichten, stellte Sveaskog dort 2021 alle Aktivitäten ein und nahm Verhandlungen mit den Sámi auf. Außerdem kündigte der Konzern an, den Holzeinschlag in Nordschweden um 45 Prozent zu verringern und ein 100 000 Hektar großes Gebiet im Norden unter Schutz zu stellen. 2023 kam es schließlich zur Unterzeichnung einer Vereinbarung über eine behutsamere Nutzung der Wälder von Muonio in Einklang mit den Bedürfnissen der Sámi.

Indigene Rechte stärken

Seit diesem Erfolg wünschen sich auch andere Sámi-Gemeinden Beratung und Unterstützung. Seit 2023 finanziert die Umweltstiftung daher die Arbeit der Waldexpertin Anja Fjellgren Valkeapää. Dass sie selbst Sámi und Rentierhirtin ist und sich seit vielen Jahren für indigene Rechte einsetzt, ermöglicht es ihr, die Sámi-Gemeinschaften entsprechend ihren Bedürfnissen zu beraten. Dabei helfen neben persönlicher Beratung und direkter Unterstützung in den Verhandlungen mit der Forstindustrie auch frei abrufbare Schulungsvideos. Als Hirten sind die Sámi viel unterwegs und können aufgrund mangelnder Zeit nur schwer an Schulungen teilnehmen; die Videos ermöglichen ihnen dennoch den Zugang zu wichtigen Informationen, die ihnen bei der Wahrnehmung ihrer Rechte helfen können.

Eine starke Bewegung für den Schutz der Wälder

Unterstützung bekommen die Sámi von einer immer größeren Zahl von Waldschützer:innen. Greenpeace Schweden arbeitet daran, eine schlagkräftige Bewegung aufzubauen, die mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen Widerstand gegen die zerstörerischen Praktiken der Forstindustrie leistet; 2023 finanziert die Umweltstiftung die Stelle einer Kampaignerin, die diese Arbeit koordiniert. Das Ziel: Der Holzeinschlag in allen alten Wälder soll sofort beendet und ein Drittel der schwedischen Wälder unter Schutz gestellt werden – und im Rest der Gebiete soll der Übergang zu einer schonenden und nachhaltigen Waldnutzung erfolgen.

Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, führt Greenpeace Schweden zusammen mit der Graswurzelinitiative Skogsupproret (Forest Rebellion) seit 2023 Trainings zu gewaltfreien Protestaktionen durch, bietet Medientrainings an und hilft dem entstehenden Netzwerk von Waldschützer:innen beim Aufbau von Strukturen. Das Interesse ist riesig: Während einer Infotour durch acht Städte Nordschwedens meldeten sich 120 Interessierte, die mehr über friedlichen zivilen Widerstand lernen und für den Schutz ihrer Wälder aktiv werden wollen; über Online-Vorträge und einen eigenen Facebook- und Youtube-Kanal waren es sogar 400 Menschen. Ziel ist der Aufbau lokaler Gruppen, die schnell reagieren und Protestaktionen organisieren können – und den letzten alten Wäldern im Land der Sámi eine wirkungsvolle Stimme geben.