Hilfe für den heimgekehrten Wolf

Das Comeback von Canis lupus ist Faszination und Herausforderung zugleich. Die Umweltstiftung Greenpeace ist überzeugt: Der Wolf, der Ende der 1990er-Jahre den Weg zurück in seine alte Heimat fand, gehört hierher und braucht unsere Unterstützung.

Ein ca. 6 Monate alter Welpe aus der Nähe, auf einer Wiese stehend, fotografiert.
Ein ca. 6 Monate alter Welpe. Foto © Sebastian Koerner

Viele Menschen sind angetan von diesem intelligenten, hochsozialen Wesen und schätzen seine Leistung für das Ökosystem. Denn indem der Wolf pflanzenfressende Huftiere wie Reh, Hirsch und Wildschwein dezimiert, nützt er dem Wald – und sorgt für gesunde Wildbestände, da er vor allem schwache und kranke Tiere frisst. Gleichzeitig gibt es aber auch die Sorge, dass Wölfe eine echte Bedrohung für die Weide- und Biolandwirtschaft mit freilaufenden Tieren bedeuten könnten. Laut einer Studie des Senckenberg Museums für Naturkunde Görlitz fressen die Räuber zwar zu 96 Prozent Wild – Übergriffe auf Nutztiere sind trotzdem ein Problem, das es zu minimieren gilt.

Drei von der Umweltstiftung geförderte ambitionierte Projekte tragen zu einer konfliktarmen Koexistenz von Mensch und Wolf bei:

1. Wolfsbestände effektiver überwachen

Eine intensive Bestandsüberwachung ist ein wichtiger Teil des Wolfsschutzes, um die Entwicklung der Population im Blick zu haben. Sie ist auch hilfreich, um Bevölkerung und Viehhalter:innen frühzeitig über die Anwesenheit von Wölfen zu informieren. In Sachsen ist das LUPUS-Institut der Biologinnen Ilka Reinhardt und Gesa Kluth offiziell mit dieser Aufgabe betraut. Im Osten des Freistaats, etwa in der Lausitz, ist der Wolf seit vielen Jahren flächendeckend präsent. Geschulte Mitarbeiter:innen setzen Fotofallen ein und suchen nach Trittspuren und DNA-Material wie Losung oder Haare. Das Problem: Mit zunehmender Ausbreitung der Tiere schaffen es die Wolfsbeauftragten kaum noch, die nötigen Daten zu sammeln, zumal sich die Territorien oft verschieben.

Daher untersuchte LUPUS mit Hilfe der Umweltstiftung ab Mai 2017, wie das Monitoring bei steigenden Bestandszahlen effektiver gestaltet werden kann. Die Feldarbeit bildete einen „Wolfsanteil“ der zweijährigen Studie. Für die Begehungen des Projektgebiets, immer auf der Suche nach Genetikproben, engagierte LUPUS zwei Festangestellte sowie Studierende und freiwillige Helfer:innen. „Rund 8.500 Kilometer Wald- und Feldwege haben sie zu Fuß, per Fahrrad oder PKW abgesucht und dabei weit über 2.000 Kotproben eingesammelt. Mal hielten sie sich an vorher festgelegte Routen, mal konnten sie ihre Wege willkürlich wählen und dabei teilweise auf Erfahrungswerte zurückgreifen“, berichtete Ilka Reinhardt im Anschluss. Dies sollte klären, ob die systematische oder die opportunistische Form der Spurensuche jeweils mehr Erfolg bringt.

Bis Mitte 2020 wurde die große Menge der erhobenen Daten ausgewertet. Gesa Kluth fasst eine der wichtigsten Erkenntnisse zusammen: „Wir konnten zum Beispiel belegen, dass von Januar bis April die Chance am höchsten ist, Wolfslosung zu finden, weil die Tiere dann großflächig in ihren Territorien unterwegs sind und überall Markierungen hinterlassen. Wenn dagegen ab Ende April / Anfang Mai die Welpen zur Welt kommen, ändert sich die Raumnutzung deutlich, da dann alles auf die Versorgung der Welpen ausgerichtet wird. Die Wurfhöhle beziehungsweise später der Rendezvousplatz werden zum intensiv genutzten Zentrum des Territoriums.“ Es mache daher aus Effizienzgründen Sinn, sich bei der Suche nach Genetikproben auf die Wintermonate zu konzentieren, so Kluth.
Um herauszufinden, wie lohnend die Mithilfe einer „Profi-Spürnase“ ist, waren mehrere Mitarbeiter:innen mit speziell ausgebildeten Suchhunden unterwegs. „Dies hat sich als sehr sinnvoll erwiesen“, berichtet Kluth. „Gerade auf unübersichtlichen Wegen, wo sich die Proben in der Vegetation verstecken oder farblich kaum vom Untergrund abheben, erhöhen Hunde die Erfolgsquote erheblich.“

Diese und weitere praktische Empfehlungen, die LUPUS auf Basis der Studie gibt, können nun dazu beitragen, die Arbeit der Wolfsbeauftragten deutschlandweit zu erleichtern. Die zwei Projektleiterinnen sehen ihre Arbeit als wichtigen Baustein für die Weiterentwicklung des Monitorings, der Lernprozess sei noch längst nicht abgeschlossen.

 

2. Aufklärungsarbeit intensivieren

Zu wissen, wo Wölfe leben und wie viele, genügt leider noch nicht für ein „harmonisches Miteinander“. Hier kommt das zweite Projekt ins Spiel: Die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V. (GzSdW) betreibt seit 1991 deutschlandweit Aufklärungsarbeit. Unter der Leitung von Dr. Peter Blanché, Tierarzt i.R., wendet sich der Verein beratend an die allgemeine Bevölkerung sowie an die Landwirtschaft, Jägerschaft und Politik. Sie baut falsche Vorurteile ab und gibt praktische Hilfestellung im Umgang mit dem Wildtier. Mit Unterstützung der Umweltstiftung hat der Verein seine Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit verstärkt, etwa durch die Herausgabe von Pressemeldungen, Stellungnahmen und Dossiers zu relevanten Themen. Zum Beispiel behandelt eine Publikation das Thema Ängste vor dem Wolf und ihre Ursachen. „Nachbar Wolf: Wie gelingt das Zusammenleben?“, fragte die Redaktion – Antworten gab unter anderem der Verhaltensbiologe Prof. Kurt Kotrschal. Ein weiteres Dossier widmet sich dem „Herdenschutz: Wichtig für Wölfe und Weidetiere“. Schon der Titel besagt, dass gut gesicherte Schafe, Ziegen oder Kälber letztlich auch dem Wolf nützen: Er würde dann von der Bevölkerung besser akzeptiert. Vielfach bewährt haben sich Elektrozäune in Kombination mit Herdenschutzhunden wie dem Kuvasz oder Pyrenäenberghund. Die robusten Aufpasser leben Tag und Nacht draußen bei ihren Schützlingen und leisten einen anspruchsvollen Job – ihnen widmet das Dossier einen Schwerpunkt.

Nutztierhalter:innen erhalten staatliche Unterstützung für Präventionsmaßnahmen gegen Wolfsangriffe. Die Bundesländer handhaben dies etwas unterschiedlich. Durch eine beihilferechtliche Entscheidung der EU-Kommission am 11. Januar 2019 können die Kosten für wolfssichere Zäune oder die Anschaffung von Herdenschutzhunden nun vollständig erstattet werden (zuvor waren nur 80 Prozent zulässig). Mit einer einmaligen Investition ist es aber nicht getan. Die GzSdW macht sich dafür stark, dass auch die laufenden Kosten gefördert werden, etwa für den Unterhalt der Hunde oder für die zeitintensive Kontrolle und Instandhaltung der Zäune.

3. Multiplikator:innen schulen – geballtes Wolfswissen weitergeben

Wölfe brauchen eine starke Lobby, um dauerhaft im dicht besiedelten Deutschland Fuß zu fassen, denn gefährlicher als das Raubtier selbst sind seine zweibeinigen Gegner – ob aus den Reihen der Jägerschaft, Bauernschaft oder Politik. Sie wollen „Bestände regulieren“, „wolfsfreie Zonen“ schaffen und dazu den strengen Schutzstatus der Tierart lockern. Ihre Argumente sind oft unsachlich. Deshalb ist es so wichtig, möglichst breite Bevölkerungsschichten und verschiedene Interessengruppen umfassend und wissenschaftsbasiert über Wölfe zu informieren. Sodass die Bürgerinnen und Bürger beispielsweise in der Lage sind, widersprüchliche Medienmeldungen richtig zu bewerten.

Hierzu sollen gezielt geschulte Multiplikator:innen beitragen. Die Umweltstiftung Greenpeace finanziert ein mehrstufiges Seminarprogramm unter der Trägerschaft der GzSdW. Seit Herbst 2018 wurden drei mehrtägige Grundlagen-Seminare in der Lausitz durchgeführt. Die bis zu 17 Teilnehmer:innen gehören verschiedenen Verbänden aus Umwelt- und Naturschutz an, darunter der Bundesverband Naturwacht e.V., das bayerische „Netzwerk Große Beutegreifer“, der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) e.V., Europarc Deutschland e.V. „Junior Ranger“, WWF und NABU. Als Fach-Referenten wurden der Lausitzer Fotograf und Wolfsexperte Karsten Nitsch und Stephan Kaasche, Naturführer von wolfland tours gewonnen. Das Programm bot eine ausgewogene Mischung aus Schulung und Diskussion, Theorie und Praxis, die von den Gruppen auch sehr gut angenommen wurde. So gab es einerseits Vorträge zum Wolfsmonitoring und andererseits praktische Übungen im Gelände, etwa das Ausmessen von Trittspuren zur späteren Auswertung.

Bei der Evaluierung der ersten Seminare äußerten mehrere Teilnehmer:innen einen großen Wissensbedarf unter anderem zum Umgang mit Konflikten. Und Konfliktbewältigung ist auch einer der Schwerpunkte der Fortbildungs- und Vertiefungsseminare, die an verschiedenen Orten und mit wechselnden Referent:innen stattfanden. Außerdem standen Medienarbeit und Herdenschutz auf dem Programm. In Planung sind Workshops zu Informations- und Bildungsarbeit und zu Naturschutzphilosophie und Naturschutzpolitik am Beispiel Große Beutegreifer.

Die GzSdW ist dabei, eine feste Projektarbeitsgruppe zu formen, die langfristig am Ball bleibt und ihr geballtes Wolfswissen weitergibt. Eine Infobroschüre, die zum Projekt erstellt wurde, titelt auf den Punkt: „Wissen schafft Akzeptanz – Akzeptanz schafft Wolfsschutz.“

(Stand: Juli 2021)