Sicherheit geht vor!
Die Umweltstiftung Greenpeace unterstützt den gemeinnützigen Verein Testbiotech bei Musterklagen gegen die Zulassungen von zwei umstrittenen gentechnisch veränderten Pflanzen.
In Deutschland ist der kommerzielle Anbau von gentechnisch veränderten-Pflanzen seit 2012 verboten, auch Pflanzungen zu Testzwecken gibt es seit 2013 nicht mehr. In den wenigen europäischen Staaten, die den Anbau noch erlauben, ist die Produktion rückläufig. Trotzdem dürfen derzeit Produkte von rund 90 verschiedenen gentechnisch veränderten Pflanzen, sogenannten GVOs (also gentechnisch veränderte Organismen), in die EU importiert werden. Diese landen vor allem über Futtermittel noch massenhaft in den europäischen Lebensmittelkreislauf – und das trotz vieler bekannter und ungeklärter Risiken für Mensch und Umwelt.
Der gemeinnützige Verein Testbiotech weist seit 2009 auf diese Gefahren hin und stellt von der Gentechnik-Industrie unabhängige wissenschaftliche Expertise bereit. Mit rund vierzig Stellungnahmen zur Risikoabschätzung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bei der Zulassung von GVO, einer umfassenden Datenbank und mit einigen Musterklagen gegen bereits zugelassene Gentechnikpflanzen versucht das Institut Zulassungen zu verhindern und höhere Standards in der Risikoprüfung durchzusetzen.
2021 hat das Institut zwei Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof eingereicht, bei denen die Umweltstiftung Greenpeace einen Teil der Kosten trägt. Überprüft werden soll ein Mais, der ein Insektengift produziert, dessen Risiken für die menschliche Gesundheit nach Ansicht von Testbiotech nicht ausreichend untersucht wurden. Außerdem soll eine gentechnisch veränderte Sojasorte erneut unter die Lupe genommen werden, die gegen mehrere Herbizide resistent gemacht wurde. In Feldversuchen war die Pflanze viel geringeren Spritzmitteldosen ausgesetzt, als dies unter Praxisbedingungen der Fall ist.
Auch Wechsel- und Langzeitwirkungen müssen in den Blick genommen werden
„Die Risikobewertung transgener Pflanzen ist viel zu lasch und droht immer mehr zur reinen Formsache zu werden“, so der Gründer von Testbiotech Christoph Then. Neben einer genaueren Prüfung der Risiken fordert er zusätzlich eine sogenannte Technikfolgenabschätzung, bei der auch Wechselwirkungen von mehreren GVOs mit der Umwelt und Langzeitfolgen mit in den Blick genommen werden. Wie notwendig dies sei, zeige beispielsweise eine aktuelle Studie: Beim Anbau der gentechnisch veränderten Soja der Sorte „Intacta“, die gegen das Spritzmittel Glyphosat resistent gemacht wurde und gleichzeitig ein Insektengift produziert, breiten sich pflanzenschädigende Schmetterlingsraupen stärker aus als zuvor.
Das liegt daran, dass sich in den Feldern spezielle Unkräuter, die sich an das Herbizid angepasst haben, besser verbreiten. Diese Unkräuter sind für die Raupen ein besonders gut geeignetes Futter. Zudem fressen sie aber auch an der Gentechnik-Soja – trotz des von der Pflanze selbst produzierten Insektengiftes. Dieses Gift ist gegen die Raupen nicht nur unwirksam, es scheint deren Vitalität sogar zu steigern. „Die behaupteten Vorteile haben sich also in ihr Gegenteil verkehrt. Das kann man aber nur herausfinden, wenn man nicht nur die Eigenschaften der einzelnen gentechnisch veränderten Pflanzen untersucht, sondern auch mögliche Wechselwirkungen mit anderen Organismen in der Umwelt in die Prüfprozesse einbezieht“, fordert Christoph Then.
Bislang konnte Testbiotech noch nicht erreichen, dass eine Zulassung einer gentechnisch veränderten Pflanze zurückgenommen werden musste. „Aber den Prozess, um überhaupt vor dem Europäischen Gerichtshof klagen zu können, haben wir gewonnen“, so der Gentechnik-Experte. „Zudem haben unsere Einlassungen und Stellungnahmen zusammen mit den Klagen dazu beigetragen, dass es im Europaparlament ein breites Verständnis für das Thema gibt und sich eine Mehrheit gegen Zulassungen, Importe und den Anbau gentechnisch veränderter Organismen ausspricht.“