Gorleben-Archiv: Mittendrin in der Geschichte
Der Gorleben-Konflikt ist nicht reif fürs Museum. Wir sind mittendrin! Mit diesen Worten beschreiben die Betreiber des Gorleben-Archivs ihre Mission. Seit 2001 sorgen sie dafür, dass die Zeugnisse der inzwischen fast 40-jährigen Historie des Gorleben-Widerstandes nicht verloren gehen. Denn Gorleben ist mehr als die lokale Geschichte des Widerstands gegen ein Atommüllendlager. Es ist die Geschichte einer deutschlandweiten sozialen Bewegung gegen die Atomkraft, die noch nicht zu Ende ist: Ein Endlager für den strahlenden Müll ist noch nicht gefunden und der Ausstieg aus der Atomkraft nicht vollzogen. „Die Fotos, Dokumente und Plakate spiegeln die unglaubliche Kreativität dieser größten sozialen Protestbewegung der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte wider“, sagt die Leiterin des Archivs Birgit Huneke. „Wir wollen mit unserem Archiv nicht nur Vergangenes dokumentieren, sondern auch Anstöße zum politischen Handeln geben.“
Vor dem Vergessen bewahren
Unzählige Flugblätter, Fotos und Filme, Plakate, Protokolle und Briefe des Gorleben-Widerstandes lagerten verstreut auf Dachböden, in Kellern und Scheunen und drohten, in Vergessenheit zu geraten. Um das zu verhindern, wurde 2001 in Grabow der gemeinnützige Verein Gorleben Archiv e.V. ins Leben gerufen. Mittlerweile haben ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unter der Leitung von Birgit Huneke rund 10.000 Fotos, 1.500 Dias, 1.600 Bücher und Zeitschriftentitel, rund 600 Stunden digitalisiertes Video- und Audiomaterial und tausende weitere Dokumente erfasst und mit Schlagworten versehen.
Fundgrube für die Wissenschaft
Für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen interessant dürften vor allem die mehreren tausend Dokumente aus den juristischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen sein. Wie genau ist es zum Standort Gorleben gekommen? Wie valide sind die Gutachten, die bestätigen, dass Gorleben angeblich als Standort für die atomare Endlagerung geeignet ist? Wie haben Prozesse der politischen Partizipation funktioniert oder auch nicht? Warum und wie ist aus einem lokalen Protest eine bundesweite Antiatomkampagne geworden? Mit all diesen Fragen hat sich die Wissenschaft bislang noch nicht ausführlich beschäftigt. Das Archiv bietet hier neue Möglichkeiten für die Recherche.
Greenpeace als Teil des Widerstands
Greenpeace ist untrennbar mit der Geschichte der Gorleben-Proteste verknüpft. Seit die ersten Castoren Richtung Wendland rollten, hat die Umweltorganisation immer wieder mit spektakulären Aktionen ein Zeichen gegen die Atomkraft und gegen Gorleben als Atommüllendlager gesetzt. Ob mit einem umfunktionierten getarnten Bierlaster, der die Castoren an der Weiterfahrt hinderte, mit Messungen von Radioaktivität an der Wegstrecke, Antiatomkraft-Kundgebungen oder Banner-Aktionen an Brücken und auf den Gleisen, immer war und ist klar: Greenpeace kämpft an der Seite der Gorleben-Aktivisten.
Und auch der juristischen und politischen Aufklärung hat sich Greenpeace verschrieben: So stellte die Organisation beispielsweise 2010 eine umfangreiche Datenbank mit Regierungsakten der Niedersächsischen Staatskanzlei und des Niedersächsischen Umweltministeriums von 1974-76 ins Netz. Sie belegten, dass es nie ein wissenschaftliches Auswahlverfahren mit dem Salzstock Gorleben als geeigneter Endlagerstätte gegeben hatte. Auch diese Akten stammen aus dem umfangreichen Gorleben-Archiv. .
Seit 2010 kann jeder, der an dem Thema interessiert ist, das bereits archivierte Material in der Bibliothek in Lüchow an- und einsehen. Neben der Bearbeitung der zahlreichen noch nicht erfassten Dokumente ist es ein langfristiges Ziel, Teile des Bestandes auch online verfügbar zu machen. Eine Chronik der Ereignisse sowie eine Reihe von historischen Fotos können bereits jetzt über die Webseiten des Gorleben-Archivs abgerufen werden.
Die Umweltstiftung Greenpeace unterstützt das Gorleben-Archiv bei der fachgerechten Archivierung der historischen Dokumente und Dias und beim Ausbau des Internetauftritts und der Öffentlichkeitsarbeit.